Gespräch mit Erich Praschak 01.12.2001 |
Gespräch EP mit Rolf Laven (1.12.2001) EP: Bevor wir auf deine Arbeit eingehen, können wir vielleicht kurz über deine biographische Provenienz sprechen. RL: Meine Provenienz ist die Provinz. Ich komme vom Land, genauer von einem Bauernhof im Rheinland, situiert inmitten des Kunstdreieckes Köln-Düsseldorf-Aachen. Hatte aber in meiner Kindheit mit Kunst überhaupt nichts zu tun. Meine Eltern waren Bauern mit Kühen, Getreideanbau und dergleichen. Als ich im Alter von einundzwanzig Jahren zur Kunstakademie gehen wollte, war das für sie ein richtiger Schock ... EP: Hattest du vorher schon Berührungen mit Kunst ? RL: Nein, überhaupt nicht. Ich hatte aber recht gute Lehrer an der Schule. Zeichnen und malen wollte ich gerne, obwohl ich sehr in die Arbeit am elterlichen Hof eingebunden war. Lesen und zeichnen war möglich, dagegen war Saxophon spielen für mich nicht möglich. EP: Saxophon spielen auf dem Land ist auch eher unüblich...Gab es dann Schlüsselerlebnisse, dass du dich für die Kunst, also im Besonderen für die Bildhauerei entschieden hattest ? RL: Ich studierte
zunächst ein Basisjahr auf der Academie van Beeldende Kunst in
Maastricht. Dieses Jahr diente der Orientierung... .Dort wurde eine
breitgefächerte Ausbildung in vielen Bereichen, vom Gestalterischen
über das Plastische bis Architektur, Malerei, Grafik, Fotografie
und Video angeboten. Diese Ausbildung war von seiner Struktur einerseits
sehr, sehr offen, anderseits noch sehr schulisch strukturiert, sehr
reglementiert. Ich lernte elementare Techniken bei vielen Lehrbeauftragte,
Professoren. Es gab einen Stundenplan, Technik und Handwerk wurde stark
gefordert, Studenten standen unter einem enormen Druck, wurden vorselektiert,
sogar einige hinausgeschmissen. Sehr schnell stand für mich fest
etwas "Handfestes" nämlich Bildhauerei, d.h. Plastische
Vormgeving bei Han van Wetering zu studieren. EP: Für mich ist auffallend, dass du einerseits die klassische akademische Ausbildung absolviert hast, aber im Unterschied zu anderen KünstlerInnen immer sehr stark auch die Idee einer Vernetzung in Bezug auf soziale Bereiche im normalen Alltag verfolgt hast. Hat dies vielleicht auch mit deiner Herkunft zu tun, mit einem gewissen Selbstverständnis oder zeigt sich da auch ein Einfluss durch die Akademie, z.B. aus deiner Zeit bei Pistoletto... RL: Ich glaube schon,
dass hier ein Einfluss meiner Eltern gegeben ist...Meine Eltern sind
sehr gesellige Menschen: Insbesondere mein Vater würde niemals
nein sagen, wenn es z.B. um Nachbarschaftshilfe geht ... EP: Ich kenne dieses Gefühl auch ganz gut. Man ist nie eindeutig in einer Welt , hat immer eine Distanz zu diesen divergenten Welten, ist nie identisch mit ihnen und vielleicht gerade dadurch souveräner... RL: Ja, ich kann das auch auf meinen beruflichen Alltag übertragen, so kann ich in der Schule z.T. als Künstler agieren, in der Kunst aber als Didaktiker, als Lehrer, als Pädagoge. Unter bestimmten Umständen hat man da auch genug Freiraum. Ich verbinde sehr gerne Arbeitsbereiche, mache sie einer Idee nutzbar... EP: Geht es dir dabei um die Entwicklung eines Selbstverständnisses in Bezug auf die Arbeitsmethoden ? Du bindest z.B. häufig andere Personen in die Realisierung deiner Werke bzw. Werkprozesse mit ein. Ein Gedanke von dir ist ja das Entstehenlassen von Kunst durch Veränderung. RL: Ich arbeite
sehr prozessorientiert, will eigentlich den aktiven Rezipienten. Das
klassische Kunstbürgertum, das so durchs Museum läuft, an
der Kasse den Katalog kauft und zu Hause ins Regal stellt, also an der
Ausstellung nur sehr einseitig partizipiert, das ist mir zu wenig. Meine
Installation "Diplombegehung³ im Steinsaal der Akademie belegte
diesen Raum mit Badezimmerwaagen. Der damalige Rektor mokierte sich
zunächst darüber, dass das keine Edelstahlwaagen waren, sondern
gebrauchte, abgenutzte ... EP: Mir ist in dieser Installation die starke, wenn auch durch Formalisierung getarnte Ironie aufgefallen. RL: Ja, manche habe
das nur als Joke gesehen... dabei hatte das für mich eine arbeitsintensive
Vorgeschichte. Ich musste mir alle zweihundert Waagen von verschiedenen
Händlern kaufen und war selbst erstaunt, welche verschiedenen Formate,
welches Design, welche Farben, welche Funktionen und auch Zustände
es gibt. Der nächste Aspekt war, wie werden diese Waagen im Raum
installiert. EP: Er hatte also in bezug auf diese Arbeit seine Haltung total geändert... RL: ...180 Grad,
the second view EP: Und wieder ist zu beobachten, dass du zwischen zwei Polen deine Identität definierst, konkret mit einem Werk, welches einen für die plastische Arbeit relevanten Aspekt, nämlich Masse und Gewicht thematisiert. RL: Bei der Arbeit
dachte ich daran, dass es eben jene Räume waren, welche von einem
früheren Professor nur zur Lagerung seiner Skulpturen genutzt wurden...
Ich habe Fotos gesehen, in denen dieser Raum komplett ausgefüllt
war mit Avramdis Skulpturen, welche von Studenten glattpoliert wurden. EP: Deine Kunst entsteht ja auch z.T. in Reaktion auf vorhandene Strukturen und als Folge deren Veränderung... RL: ... z.B. die
Arbeit mit Zeitungsmaterial in der Cult Galerie, Raum schaffen im Raum,
phantasieren, definieren, positionieren, spielerischer Umgang mit Material
EP: Das Objekt "Rucksack³ wird also zum Medium... RL: Ja als Träger einer Botschaft...ein Medium, das man am Rücken trägt... Eine Botschaft, die man eventuell gar nicht wahrnimmt, oder die an einem vorüberzieht. EP: Aber es beweist auch, dass man durch minimale Veränderung eines Ausgangsmaterials nicht nur dessen Funktion sondern auch den Sinn verändern kann und letztlich auch die Kommunikation... RL: ...möglicherweise auch Haltungen... EP:.. es entsteht also prozessuale Kunst. RL: In diesem Fall
sind es Kunstwerke, die benutzt werden, die Idee war da, wird vom Träger
des Kanisterrucksackes aber noch weiter getragen. Diese Arbeit kann
also von fein nuanciert bis plakativ lesbar rezipiert werden. EP: Also wiederum eine Irritation durch eine leichte Verschiebung ? RL.: Ja, diese Verschiebungen findet sich in meiner Biographie immer wieder. Ich bin Lehrer in einem Gymnasium - und ich bin leicht verschoben. Ich gehöre nicht so richtig dazu diesbezüglich, von der Kleidung, der Sprache oder Gestik usw. Und im Kunstbereich ist es genauso: ich habe diesen Job, ein fixes Einkommen - und ich deklariere mich auch dazu. Ob ich Rucksäcke verkaufe und damit was bewirke oder ob ich durch meinen Unterricht bei Schülern etwas bewirke, bedeutet für mich beides Einflussnahme in Gesellschaftsbelange. EP: Ist damit deine plastische Arbeit wie eine Bewusstseinsarbeit zu verstehen ? RL: Ja, auf jeden
Fall: Gesellschaftsarbeit, Bewußtseinsarbeit, Kunstarbeit. EP: Deine Papierpulpe sind bezeichnend dafür, wie eine plastische Form weiteren, nicht mehr regulierten Prozessen ausgesetzt werden kann. Auch der Beitrag für die Ausstellung 1:25 in der Cult Galerie ging von einem prozessorientierten Gedanken aus... RL: ... ich würde das auch gerne 1:1 verwirklichen - ein riesiger, mit Pigmenten durchsetzter Eiswürfel schmilzt in einem wie auch immer gearteten Raum... . EP: ... ich kenne in Wien einige dafür geeignete Räume... RL: Räume,
in denen Farbstrukturen als Zeugnis zurückbleiben: hier schon wieder
die Absenz als Element. EP:... die Imagination der Katastrophe... RL: ... die Katastrophe, de sich in den Köpfen der Menschen abspielen... . EP: Das tangiert auch viele psychoanalytisch besetzte Fragen bzw. Tabuzonen des bürgerlichen Rechts... RL: Räume und
Zonen werden markiert, besetzt, ... EP: ... auch Beuys hat die bürgerliche Gesellschaft mit seiner Arbeit gekontert... RL: Künstlerische
Aufgabenfelder können ja viele erschlossen werden. Auch im Österreichischen
Kulturservice, in dem ich zu Zeit im Projekt- und Servicebereich für
Bildende Kunst tätig bin, wird versucht mittels Kunst die gesellschaftliche
Situation zu verbessern. Wie in jedem Beruf stösst man auch hier
an strukturelle Grenzen, EP: In dieser Institution hat doch der Bezugspunkt Schule Priorität. RL: Künstler , die im schulischen Kontext tätig werden, so Veränderungsprozesse anregen, auf Seite der Lehrer wie auch der Schüler. Der Begriff der künstlerischen Intervention steht da im Raum. Künstler können da schon Sand im Getriebe einer Institution sein und auch neue Wege thematisieren... EP: Trifft nicht
auch eine frühe Installation von dir, welche du im Rahmen des Projektes
"School is over³ realisiert hast, auf diese Möglichkeit
zu.
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