Rolf Laven ist kein leicht einzuordnender Künstler, sein Oeuvre
ist vielschichtig - denn sowohl in der Wahl seiner Materialien als auch
in ihrer Bearbeitung steckt er sich grundsätzlich keine Grenzen.
Ein wesentliches Moment beim Experimentieren mit dem Material (Papier,
Eisen, Holz, etc.) ist jedoch das Bedürfnis, Kunst durch äußere
geschaffene Umstände, durch Momente von Reaktion, von Veränderung
entstehen zu lassen - etwa wie es geschieht, wenn sich der Rahmen einer
Eisenkonstruktion durch die anhaltende Wirkung von Wasser in Rost verwandelt
(Grenzen und Ränder spielen bei Laven immer eine besondere Rolle)
oder wie es sich besonders deutlich in Lavens "Streifenbildern"
manifestiert.
Dabei lässt Laven in Streifen verlaufende Farbrinnsale über
die - meist durch verschiedenförmige eingezogene Gegenstände
gewölbten - Leinwände rinnen und dreht anschließend
in einem nächsten Bearbeitungsschritt die bereits getrocknete Leinwand
etappenweise um 90 oder 180 Grad, um den gleichen Vorgang - evtl. in
einer spontan gewählten anderen Farbe - so oft zu wiederholen,
bis das von ihm gewünschte Resultat erreicht ist. Die durch dieses
kontrollierte "Spiel des Zufalls" entstehenden streifenförmigen
oder schraffierten Bilder erinnern in ihrer räumlichen Wirkung
an textile Strukturen, gewebte Muster, Teppiche. Aufgrund dieses Arbeitsverfahrens
wurden Lavens Streifenarbeiten des öfteren mit den ebenso zufällig
entstandenen Farbdrippings des "action painter" Jackson Pollock
oder auch Hermann Nitschs Schüttbildern verglichen, wenngleich
Lavens Arbeiten letztlich doch ungleich stärker kompositorischen
Überlegungen unterworfen sind.
Im prozessualen Arbeiten mit Roststrukturen, Trocknungsprozessen, Farbverläufen
liegt ein Aspekt des Schaffen Lavens, ein anderer ebenso wesentlicher
im Recyceln und Weiterverarbeiten von Gesammeltem. Stellvertretend für
verschiedenste neugeschaffene und zweckentfremdete Gegenstände
seien dabei hier die sogenannten "Kanisterrucksäcke"
Lavens genannt, käuflich erwerbbare, am Rücken tragbare Taschen,
die aus ehemaligen alten Ölkanistern gefertigt sind.
Die Sammelwut des Künstlers, die wahre Depots erfordert, um die
gefundenen Gegenstände zu horten und zu katalogisieren, erstreckt
sich von Kinderzeichnungen, Büchern und Personenwaagen (Lavens
Abschlussarbeit an der Klasse für Bildhauerei in Wien umfasste
die stattliche Anzahl von 200 solcher Waagen, welche - in verschiedenen
Gruppierungen zueinander angeordnet - zu ihrer Verwendung aufforderten)
bis hin zu verschiedensten Gegenständen oder Bauteilen, die in
bespannten Leinwandbildern wiederverwertet werden könnten (z.B.
alte Fensterläden, Tisch - oder Stuhlteile, Teller, etc.).
Das Haptische und das Spielerische im Sammeln und Neu- Erschaffen ist
der äußere Antrieb für diese Arbeiten des Künstlers,
die innere Motivation aber das Bedürfnis, der "Wegwerfgesellschaft"
in der wir leben, die Ästhetik gebrauchter, alter, einzigartiger
und möglicherweise umfunktionierter Gegenstände - ähnlich
den "Ready Mades" Marcel Duchamps - entgegenzuhalten. (In
diesem Zusammenhang muß erwähnt werden, dass Laven die durch
ein Braunkohleunternehmen vorgenommene Zerstörung sowohl seines
Elternhauses - einem uralten Bauernhof in Jülich, Rheinland - sowie
seines gesamten Heimatortes als besonders einschneidendes Ereignis erlebte.
Der Schock über das Niederreißen lebendiger Geschichte, das
Wegwerfen der mit Erinnerung behafteten Gegenstände, die durch
beliebiges Neuwerk ersetzt wurden, erklärt Lavens spätere
bewusste Sammelleidenschaft von scheinbar unbrauchbarem Gerät.)
Die bereits oben angeschnittenen Themenbereiche Rand und Grenze, mit
welchen sich Laven immer wieder auseinandersetzt, weisen ebenfalls zurück
auf Lavens Biographie. Der vom Land, der Peripherie, dem "Rand"
ins Zentrum, die Stadt, den Kulturschauplatz ziehende Laven (sein erster
Studienaufenthalt führte ihn an die Academie van Beeldende Kunsten
in Maastricht) vollzieht eben diese spannende Fortbewegung ins Ungewisse
in seinen Arbeiten immer wieder neu.
(...)
Claudia
Lehner, Wien
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